Nieder mit der Lohnarbeit!

FAU Bielefeld

Nicht nur anlässlich eines „Tages der Arbeit“ macht es Sinn, sich kritisch mit dem auseinanderzusetzen, was uns als Menschen nun schon so lange prägt und quält: die Lohnarbeit. Wir leben in einer Arbeitsgesellschaft, was meint, dass Arbeit in unserer Gesellschaft quasi den Status eines Selbstzwecks genießt. Für die Arbeitenden bedeutet dies: Selbst wenn jemand den miesesten und schlechtbezahltesten Job hat, so solle mensch doch froh sein, überhaupt eine Arbeit zu haben. Und für diejenigen, die keine Lohnarbeitsstelle innehaben, bedeutet die Arbeitsgesellschaft sozialen Ausschluss und Diskriminierung.

Die Tradition der Arbeitsgesellschaft und des Profits
Das Mittelalter erkannte in der Arbeit eine Strafe für die sogenannte Erbsünde, dabei wurde Arbeit selbst aber berechtigterweise als Pein und Leid verstanden. Das hat sich bei Luther geändert, für den der Mensch zur Arbeit geboren sei wie der Vogel zum Fliegen. Auch Marx und Engels hatten einen eigentlich positiven Begriff von der Arbeit, sie sahen ihn als Stoffwechselprozess des Menschen mit der Natur, jedoch sei die Arbeit im Kapitalismus einer permanenten Entfremdung unterworfen (durch inhaltliche Fremdbestimmung der Produktion, Maschinenarbeit, Ausbeutungs- und Mehrwertorientierung der Arbeit), welche das Unternehmertum den Arbeiterinnen aufbürdet, um maximalen Profit zu erwirtschaften. Heute erfolgt viel zu selten eine tiefgreifende Kritik an der Lohnarbeit an sich, die in Zeiten hochindustrieller und automatisierbarer Technik (so sagte es bereits Kropotkin vor 100 Jahren an und heute z.B. der Autor Darwin Dante) eigentlich überflüssig oder zumindest massiv reduzierbar wäre, wenn dem nicht die Eigentumsverhältnisse an Produktionsmitteln, die Verinnerlichung kapitalistischer Werte und die Angst vor gesellschaftlicher Veränderung entgegenstünden. Wen mensch genau hinschaut, ist unschwer zu erkennen:
Viele Arbeiten dienen nicht der Herstellung von Gemeinwohl oder individuellem Glück, sondern der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems. Fiele letzteres weg, würde auch die Lohnarbeit wegfallen und mit ihr ein Zwangssystem, welches dem Streben nach Glück zuwiderläuft. Unter der Maßgabe, dass keine Profiterwirtschaftung für das Unternehmertum mehr stattfindet (also Mehrwert/Profit für die Kapitalistinnen entfällt), kann die allgemeine Dauer der Arbeitszeit für alle massiv verkürzt werden. Und wenn bei der Produktion die Langnutzung der Güter angestrebt wird (statt Verschleiß und Zwang zum Neuerwerb der Güter), brauchen wir nicht alles immer neu zu kaufen und können auch deshalb viel weniger arbeiten. Und wenn Funktionswissen für alle angestrebt wird statt Spezialwissen Einzelner (also keine Notwendigkeit eines Einkaufs externen Expert*innentums besteht), wird der Produktionsprozess viel günstiger, was den Anteil der Arbeitszeit der Einzelnen weiter verkürzt. Dasselbe gilt im Falle der Abschaffung unnötiger Arbeit (z.B. Abschaffung einer Verwaltung, die der Aufrechterhaltung eines Lohnsystems, der Geldwirtschaft, der Etablierung von Arbeitszwang und der Erziehung dahin dient).

Bedürfnisproduktion statt künstlicher Konsum
Und wenn Bedürfnisproduktion im Vordergrund steht statt künstlicher Konsum (der über Werbung erzeugt wird und der mentalen Aufrechterhaltung eines entfremdeten Lebens dient) und auch die Produktion für die Luxusbedürfnisse einer zahlungskräftigen Elite entfällt, kann es gelingen, alle Bereiche der Produktion darauf auszurichten, lebenswichtige Güter für alle in insgesamt sehr viel weniger Produktionszeit herzustellen. Die für den Lebenserhalt der Einzelnen notwendige Arbeitszeit lässt sich also immens verringern, wenn die kapitalistischen Verhältnisse überwunden werden. Und wenn Kooperation statt Konkurrenz das Miteinander in der Produktion bestimmen, kann eine Vielfalt kollektiver Ideenfindung zum besseren Gelingen beitragen. Und wenn die Produktion nicht länger unter die Maßgabe von Leistungszwang, innerbetrieblichen Herrschaftsstrukturen und existenzieller Angst gestellt wird, sondern das Menschliche (Mitbestimmung, Solidarität, Gemeinschaft) im Vordergrund steht, könnte sich der Prozess der produktiven Tätigkeit dem annähern, was Bob Black in den 80er Jahren unter „Spiel“ verstanden hat.

Freiheit im „Spiel“
Unter „Spiel“ verstand Black mit Rückgriff auf Friedrich Schiller, dass der produktive Mensch „beiden Seiten seiner doppelten Natur ihren Lauf lässt, dem Denken und Empfinden“. Produktive Tätigkeit als eine Form gemeinsamen Spiels könne sogar eine Verwirklichung von „Freiheit“ (im Sinne von Entscheidungs- und Handlungsfreiheit) sein. Im Vorfeld aber, so Black, „müssen wir die Menge an Arbeit, die erledigt werden muss, massiv reduzieren. Derzeit ist die meiste Arbeit überflüssig oder schlimmeres und wir sollten uns ihrer einfach entledigen“. Denn sie dient – wie oben dargelegt – der Aufrechterhaltung des Systems der Arbeit, der Kontrolle, der Messbarkeit und Erziehung zur Lohnarbeit. „Auf der anderen Seite“ – so Black – „müssen wir das, was als nützliche Arbeit bleibt, in eine erfreuliche Vielfalt spielerischer und handwerklicher Zeitvertreibe verwandeln, die von anderen erfreulichen Zeitvertreiben ununterscheidbar sind, außer darin, dass sie stattfinden, um nützliche Endprodukte zu erzeugen. Das sollte sie aber nicht weniger verlockend machen“. Dazu sollen nützliche Aktivitäten so arrangiert sein, dass sie dem Interesse und der Freude der Einzelnen dienlich (also nicht monoton und langdauernd) sind.
Der Unterschied zwischen Lohnarbeit und produktiver Tätigkeit weist den Weg in eine andere, nichtkapitalistische Lebensform. Der Philosoph Erich Fromm unterschied hinsichtlich der Produktion „entfremdete Tätigkeit“ (Lohnarbeit, „Geschäftigkeit“) und nicht entfremdete Tätigkeit. Bei ersterer „erlebe ich mich nicht als das tätige Subjekt meines Handelns, sondern erfahre das Resultat meiner Tätigkeit… als etwas…, das von mir getrennt ist“. Statt dass ich handele, handeln „innere und äußere Kräfte … durch mich“. Bei nicht entfremdeter Aktivität hingegen erleben sich die Einzelnen als „handelndes Subjekt (ihres) Tätigseins“, ein „Prozess des Gebärens und Hervorbringens, wobei die Beziehung zu meinem Produkt aufrechterhalten bleibt“, indem „ich und mein Tätigsein und das Ergebnis meines Tätigseins eins sind“. Das sei dann „produktives Tätigsein“ im Unterschied zu „bloßer Geschäftigkeit“ (entfremdeter Arbeit). Fromms Ausführungen lassen es zu, die Vorstellung der produktiven Tätigkeit im Sinne von Bob Black als „Spiel“ zu begreifen, weil die Sinne, individuelle Motivationen und sozialen Kräfte im Begriff der produktiven Tätigkeit zusammenfinden, es geht um eine der Lohnarbeit gänzlich entgegengesetzte Vorstellung von Produktion und eine Kritik der Lohnarbeit, wie sie ebenfalls im philosophischen Manifest der „Glücklichen Arbeitslosen“ oder im „Manifest gegen Arbeit“ der Gruppe Krisis zum Tragen kommt.
So schreibt die Gruppe Krisis: „Freiheit heißt, sich weder vom Markt verwursten noch vom Staat verwalten zu lassen, sondern den gesellschaftlichen Zusammenhang in eigener Regie zu organisieren… In diesem Sinne geht es … darum, neue Formen sozialer Bewegung zu finden für eine Reproduktion des Lebens jenseits der Arbeit. Es gilt, die Formen einer gegengesellschaftlichen Praxis mit der offensiven Verweigerung der Arbeit zu verbinden… Wir haben nichts zu verlieren … (aber) eine Welt jenseits der Arbeit zu gewinnen. Proletarier aller Länder, macht Schluss!“.
Da wir wesentlich Menschen und nicht Arbeitende sind, kann es nur heißen: Kapitalismus abschaffen! Der Anfang ist jetzt.

Literaturhinweise
Bob Black, Die Abschaffung der Arbeit, Anarchistische Bibliothek 1985, Direktdownload unter https://anarchistischebibliothek.org/mirror/b/bb/bob-black-die-abschaffung-der-arbeit.a4.pdf
Erich Fromm, Haben oder Sein, München 2004
Gruppe Krisis: Manifest gegen Arbeit, siehe http://www.krisis.org/1999/manifest-gegen-die-arbeit.

erschienen in der DA-Verteilzeitung zum 1.Mai

„Die Zwiebeln schmecken!“

Auf der Zwiebelplantage des AfD-Abgeordneten Jörg Dornau in Belarus arbeiten politische Häftlinge.

[Labournet, September 24]
FCK AFD
„Der deutsche Geschäftsmann und Abgeordnete der populistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), Jörg Dornau, unterzeichnete eine Vereinbarung mit der Lidaer Haftanstalt „Isolationszentrum für Straffällige“ (IZS) und beschäftigte regelmäßig Belarussen, die aus politischen Gründen inhaftiert sind, auf seiner Zwiebelplantage bei Lida.
Sie erhielten etwa 5 Euro Arbeitslohn pro Tag. Wie Reform.news herausfand, inspizierte der deutsche Politiker die Arbeit der politischen Gefangenen sogar persönlich. Wir fanden einen der „Politischen“, der für Jörg Dornaus Firma „Zybulka-Bel“ Zwiebeln sortiert hat. Er heißt Andrej (Name geändert). Er ist nicht der einzige, der aus dem IZS zur Arbeit in der Landwirtschaft geschickt wurde, aber der einzige, der bereit war, Reform.news seine Geschichte zu erzählen. (…) „Wir unterzeichneten jeden Tag einen Arbeitsvertrag. Wenn der Vorarbeiter der Meinung war, dass ein Häftling gut arbeitet, erhielt er seinen Lohn. Das IZS Lida bekam 30 Rubel, der Häftling etwa 20 Rubel*. Die Zwiebeln wurden für die Handelskette „Evroopt“ sortiert.“…“

Quellen:
Labournet
Recherche des Portals „Reformation“ vom 24.09.2024 externer Link in dt. Übersetzung
taz-online

0,28€ = 1 BYS (Belarus-Rubel) => 20 BYS = 5,52€ (Kurs vom 2.10., Quelle: Umrechner

28.09.2024: internationaler Aktionstag der Solidarität mit den „6 von La Suiza“

[ICL/CIT, September 24]
Die ICL* (International Conference of Labour) rief zum internationalen Aktionstag am 28. September auf, da 6 Gewerkschafter:innen das Gefängnis droht.

22.09.2024 In Solidarität mit unseren Kolleg:innen, die in Gijon, Asturien, Nordspanien, unterdrückt und verfolgt werden, weil sie für ihre gewerkschaftlichen Rechte einstehen und im Angesicht der möglichen Inhaftierung, ruft die Internationale Konferenz der Arbeit (IKA) am 28.09. zu einem internationalen Aktionstag auf.

„28.09.2024: internationaler Aktionstag der Solidarität mit den „6 von La Suiza““ weiterlesen