Nun finden auch in Bielefeld wieder an verschiedenen öffentlichen Plätzen Razzien statt (1). Nach außen soll so der Eindruck entstehen, dass die Polizei und das Ordnungsamt “Probleme” konsequent angehen und das Leben der Bielefelder:innen verbessern.
Um diese PR-Maßnahme der Polizei ansprechend zu würdigen, war die Lokalpresse auch bei Razzien auf dem Kesselbrink und an der “Tüte” am Hauptbahnhof dabei. Lokalpresse und Polizei reden vom subjektiven Sicherheitsgefühl “der Bürger”, welches gesteigert werden soll. (2) Und wer fühlt sich nicht sicher, wenn er urplötzlich umzingelt, einzeln abgeführt und durchsucht wird? Es wird klar getrennt zwischen denen, deren Sicherheitsgefühl als wichtig eingeschätzt wird, und denen, die dadurch ihre Rechte verwirkt haben, dass sie es bedrohen, weil ihre bloße Anwesenheit als störend empfunden wird.
Dabei sagt selbst die Ex-Polizeipräsidentin, dass die Gefahr für Bielefelder Bürger:innen, auf dem Kesselbrink Opfer einer Straftat zu werden, objektiv “eher gering” ist und gibt zu, dass es eher um die öffentliche Wahrnehmung von diesen als Brennpunkte bezeichneten Orten geht. (3) Kein Wunder also, dass die Polizei an diesen Orten tätig wird und nicht z.B. die zahlende Kundschaft eines Clubs belästigt, die bekanntlich ebenfalls durch Alkoholkonsum und Konsum von anderen Drogen auffällt.
Die Polizei gab nach den letzten Razzien an, dass es auch darum ginge, der “Szene” zu zeigen, dass sie unter Beobachtung stünde. Und darum, zu gucken, mit wem sie es auf den Plätzen zu tun hat. (2) Reichlich dünne Rechtfertigung für eine Aktion wie diese, die in den Alltag und das Sicherheitsgefühl von so vielen Menschen entscheidend negativ eingreift. Dazu kommt, dass jede kontrollierte Person ein Platzverbot bekam. (1)
Die NW schreibt über die Kontrollen: “Er [ein gerade kontrollierter Mann] lächelt dabei. Eigentlich aber soll den Kriminellen das Lachen vergehen durch Aktionen wie diese.” (2) und zeigt damit, wie sie das Gesetz, Moral und eigene voyeuristische Rachegefühle vermischt.
Indirekt wird also allen von der Razzia Betroffenen unterstellt, kriminell zu sein. Wie immer wird der Ruf nach den sogenannten Ordnungshütern laut, weil vor dem Gesetz Kriminelle gleichzeitig als moralisch verkommen und damit als strafwürdig angesehen werden.
Wirklich geholfen wird dagegen wenig. Es gibt nicht ausreichend Angebote und Orte für sicheren Konsum und über die möglicherweise kommende Diamorphinpraxis in Bielefeld wird noch gestritten. Momentan sieht es jedenfalls so aus, als könnten nicht alle Pläne umgesetzt werden, weil die Angst vor der “Belastung für die Stadtgesellschaft” zu groß ist. (4)
Außerdem verschiebt sich das sogenannte Problem nur in verstecktere Ecken. Dagegen protestieren natürlich auch die Anwohner:innen besagter Ecken, die sich auch mehr Polizeipräsenz dort wünschen, um Verdrängungseffekten vorzubeugen. Die Frage ist dann natürlich, was mit den Menschen passiert, die scheinbar von der Polizei von Ecke zu Ecke getrieben werden sollen. (5)
Diese Menschen stören, indem sie das Bild einer heilen Gesellschaft, in der Probleme wie Armut und Drogensucht verdrängt werden, angreifen. Deshalb sollen sie weg, damit alles wieder seinen verlogenen Weg gehen kann und die Stadt nach außen hin besser dasteht, auch in Konkurrenz mit anderen Städten.
Unsere ganze Solidarität gilt den von den Razzien betroffenen Menschen. Für eine Welt, in der Drogenabhängige die Hilfe bekommen, die sie benötigen und in der Drogenkonsument:innen nicht kriminalisiert werden.
Für das Ende des Kapitalismus und das gute Leben für alle!
Quellen:
(1): https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/23484946_Razzia-am-Bielefelder-Bahnhof-Polizeikraefte-kontrollieren-Drogen-und-Alkoholikerszene.html
(2): https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/23478969_Drogen-Razzia-auf-dem-Kesselbrink-Bielefelder-Polizei-leitet-zehn-Verfahren-ein.html
(3): https://bielefeld.polizei.nrw/artikel/der-kesselbrink-ist-objektiv-kein-kriminalitaetsbrennpunkt
(4): https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/23311964_Kritik-an-Plan-fuer-Bielefelder-Heroin-Praxis.html
(5): https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/23488864_Bielefelder-Problemviertel-Politiker-versprechen-Hilfe-gegen-Junkies-und-Prostitution-v1.html
Weitere Sichtweise auf Razzia an der Tüte: https://www.westfalen-blatt.de/amp/owl/bielefeld/razzia-diesmal-an-der-tute-2706438?pid=true